Genießen Sie Erfolge?

Gerappelt habe ich, um alle notwendigen Schritte zu gehen. Immer wieder habe ich mich neu motiviert. Manch Sonntag oder Urlaubstag musste herhalten. Monatelang, manchmal jahrelang habe ich an einer Vision festgehalten und Rückschläge weg gesteckt, um ein neues Projekt auf den Weg zu bringen. Ergebnis: Der erhoffte Erfolg ist endlich da. Das Projekt, an dem ich oft gezweifelt habe, stößt auf einmal auf positive Resonanz. Und nun?

Wohlig ist das Gefühl, dass etwas klappt. Ich freue mich über den Erfolg. Etwas in mir wird weich und entspannt. Anstrengung fällt ab. Je größer die Freude, desto mehr habe ich das Bedürfnis, sie zu teilen. Je mehr ich für etwas gekämpft habe, desto stärker ist nun meine Erleichterung. Ich greife zum Telefonhörer und erzähle denen, die mir in schwierigen Zeiten geholfen haben, von den positiven Nachrichten. Vor allen denjenigen, die dann an mich geglaubt haben, als mir das selbst schon schwer fiel, weil sich der Erfolg nicht einstellen wollte, möchte ich mitteilen, dass es endlich geklappt hat. Geteilte Freude ist doppelte Freude.

Ich möchte mich belohnen. Die Entspannung bewusst genießen. Mir erlauben, die tägliche Anstrengung einen Moment los zu lassen und einfach nur da sein. Gerade gibt es nichts zu tun. Denn das, was ich erreichen wollte, ist geschafft. Ich will nicht weiter huschen zum nächsten Projekt, nicht darüber nachdenken, was nun zu tun ist. Einen Augenblick will ich innehalten und mich einfach freuen. Ich erlaube mir eine Auszeit und fahre mit meinem Hund raus. In der Natur, in Bewegung, einfach mit mir kann sich Freude ausbreiten.

Ich erlaube mir, die Zeit Revue passieren zu lassen, in der ich für diesen Erfolg gekämpft habe. Im Nachhinein kann ich sehen, dass jeder Rückschlag nötig war, um klarer zu werden. Da, wo etwas nicht geklappt hat, stimmte mein Weg noch nicht. Da ich aber nicht wusste, welcher Weg der richtige ist, blieb mir nichts übrig, als irrend und wirrend selbst herauszufinden, wie es geht. Jetzt, wo der Erfolg da ist, weiß ich, wie es geht. Aber ich weiß es nur durch den Erfolg selbst. Vielleicht hätte es ganz andere Wege gegeben. Dies war mein Weg. Mein Weg, weil er mir ermöglicht hat, das zu lernen, was nötig war.

Ich bin immer wieder fasziniert von der Klugheit von Märchen. Sie beschreiben so wunderbar, dass der Held oder die Heldin ihre Aufgabe nur lösen kann, indem sie sich wandeln. Der, der losgeht und den Drachen besiegen muss – der jüngste Sohn, der nicht gewürdigte Tolpatsch, die zickige Prinzessin – sind nicht mehr dieselben, wenn sie am Ende gewinnen. Unterwegs müssen sie Aufgaben lösen, müssen Herausforderungen begegnen, scheitern an Problemen und reifen zu denjenigen heran, die am Ende wissen, wie das Rätsel gelöst werden kann. Der Preis, die Hand des Prinzen oder der Prinzessin, der Schatz oder was auch immer die Belohnung ist, gebührt ihnen dann. Sie haben ihn sich verdient. Sie sind die geworden, die sie sein können. Und sie sind es geworden, indem sie sich auf den Weg gemacht haben.

Bald stehen neue Aufgaben an. Gewöhnung setzt ein. Der Alltag hat mich wieder. Neue Herausforderungen, neue Anstrengungen. Pures Glück ist kein Dauerzustand. Im besten Fall bleibt das Gefühl des Gelingens, eine neue innere Festigkeit. Das Wissen, das es sich lohnt, dran zu bleiben und um etwas zu ringen. Je öfter ich diese Erfahrung in meinem Leben gemacht habe, desto stärker ist in mir die Gewissheit gewachsen, dass es sich lohnt, an Projekten dran zu bleiben und auszuhalten, dass schnelle Erfolge nicht die Regel, sondern die Ausnahme sind. Das, was ich mir in meinem Leben erkämpft und errungen habe, gewinnt seinen Wert vielleicht genau dadurch: dass es mir nicht einfach in den Schoß gefallen ist, sondern mich gefordert hat.

Wenn ich darüber nachdenke, worauf ich richtig stolz bin, dann sind es die Dinge, die mir nicht leicht zugefallen sind, sondern das, was sich erst durch Anstrengungen ergeben hat. Je größer die Energie – innere wie äußere – die ich aufbringen musste, desto größer die Freude über das Gelingen.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es sich lohnt, an Visionen festzuhalten. Immer wieder neu anzusetzen. Weiter an mein Ziel zu glauben, auch wenn es zwischendurch so aussieht, als könnte ich es nie erreichen. Sicher und stetig habe ich mich dadurch dem genähert, was ich erreichen wollte.

Doch wenn ich nicht aufpasse, entschwindet das gute Gefühl ganz schnell wieder. Flugs legen sich neue Herausforderungen über das Gefühl, etwas Wichtiges erreicht zu haben. Der Alltag ist mächtig und streckt sofort seine Krallen aus mit Dringlichen und Eiligem. Wenn ich nicht aufpasse, verpasse ich das Feiern und gehe einfach zur Tagesordnung über. Auch das will gelernt sein: Selbst Zäsuren setzen. Anhalten. Wahrnehmen, was gelingt. Immer wieder. Eine Freundin hat mich früher oft gefragt: Was hat Dich heute glücklich gemacht? Was war das Schönste, was Du heute erlebt hast? Eine wunderbare Möglichkeit, die Aufmerksamkeit auf die kleinen Freuden und Erfolge auszurichten.

Wer diese Erfahrung nachhaltig machen möchte, kann sich einen Tag lang Bohnen in eine Hosentasche stecken. Jedes Mal, wenn etwas Schönes passiert, wenn Sie etwas erfreut, wenn etwas gelingt, nehmen Sie eine Bohne und stecken sie in die andere Hosentasche. Und am Abend können Sie sinnlich wahrnehmen, wie viele Freuden und kleine Erfolge ein einziger Tag für Sie bereit hält.

 

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