Warum machen wir uns im Alltag das Leben gegenseitig schwer?

Meine Tochter schwärmt – die Leute sind so nett in San Francisco. Sie reden im Geschäft, sie haben Zeit, sie machen Komplimente, sie sind freundlich. – ob auf der Straße, im Cafe oder im Fitness-Studio. Was in Deutschland an der Tagesordnung ist, mürrische Bedienung, schlecht-gelaunte Antworten, einsilbige Auskünfte, Behandlung von oben herab – das hat sie in 4 Wochen dort nicht erlebt. Und ich frage mich zum wiederholte Male: Warum sind wir eigentlich so?

Ich weiß, unsere Art des Umgangs miteinander hat angeblich auch gute Seiten. Uns Deutschen wird nachgesagt, wir seien zwar erstmal schwer zu nehmen. Mit uns in Kontakt zu kommen, sei nicht leicht. WENN wir uns dann aber mal öffnen, dann hat man uns auch am Hals, Pardon, dann kann man sich auf uns verlassen. Da ist bestimmt etwas dran: Wir sind schwergängiger, misstrauischer, vorsichtiger, aber die Beziehungen, die man knüpft sind, stabil. Sie bedeuten uns etwas. Wir öffnen uns vielleicht nicht so leicht, weil wir uns, wenn, dann nachhaltiger öffnen. Insofern haben wir auch mehr zu verlieren.

Ich mag die deutsche „Tiefe“ – mir sind Beziehungen wichtig, die Bestand haben.. Doch frage ich mich: Schließt das wirklich alltägliche Freundlichkeit aus? Wäre der Alltag für uns alle nicht leichter und angenehmer, wenn wir netter miteinander umgingen?

Die Kassiererin blafft mich an: „Sie müssen die Ware aufs Band legen.“ Die Verkäuferin unterhält sich viel lieber mit ihrer Kollegin als mit mir und gibt mir deutlich zu verstehen, dass ich mit meinem Anliegen störe. Der Busfahrer wirkt genervt von seinem Job. Da hilft dann das eingetrichterte „Schönen Tag noch“, das mittlerweile offensichtlich Teil des angeordneten Verkaufstrainings ist, auch nicht. Denn von Kontakt kann nicht die Rede sein. Blick zur Seite, nach oben, aufs Band – bloß nicht zu mir.

Natürlich gibt es Ausnahmen. Da ich gerne mit Menschen spreche, genieße ich das Pläuschchen auf dem Markt, quatsche gerne mit aufgeschlossenen Kassiererinnen und freue mich über jeden, der sich bemüht, mir weiter zu helfen. Das geht sogar manchmal im Internet. Letztens hat mich ein Software-Unternehmen begeistert, bei dem sich ein Chat-Fenster öffnete und man mir Hilfe anbot, während ich versuchte, zu begreifen, worin sich die verschiedenen Software-Versionen unterscheiden. Ein echter Mensch war auf der anderen Seite und half mir, mich zurecht zu finden.

Das Leben ist nicht leichter geworden. Wie bucht man die beste Verbindung mit der Bahn? Welches Handy ist das richtige für mich? Wie finde ich den Weg nach X? Wie schön wäre es, wenn wir von einer Kultur der Hilfsbereitschaft umgeben wären – und nicht von einer Kultur der Muffeligkeit und Besserwisserei. Denn eines funktioniert bei uns Deutschen wunderbar: Wehe, Sie übertreten irgendeine Regel – ob wissentlich oder unwissentlich. Dann ist sofort jemand auf dem Plan, der ungefragt zum Besten gibt: „Das dürfen Sie nicht!“

Eine befreundete Wissenschaftlerin trägt im Ausland überall gerne ihre Thesen vor – nur nicht in Deutschland. Auch anderswo wird Kritik geübt. Doch sie sagt, anderswo wird erst gewürdigt, was gut ist. Dann wird freundlich auf bedenkenswerte Aspekte hingewiesen. Man ist bemüht, ins Gespräch zu kommen und unterschiedliche Perspektiven auszutauschen. Im deutschen Wissenschaftsbetrieb hingegen begegnet ihr eine Kultur der Besserwisserei: Man ist nicht interessiert daran, Neues zu erfahren, sondern auf die Lücken in ihrem Vortrag hinzuweisen und deutlich zu machen, dass die eigene Ansicht die Bessere ist.

Ich wünsche uns ein Lernen in Sachen Kommunikation. Auch wenn die Arbeitsbedingungen für viele in diesem Land schwierig sind, auch wenn Druck und Hetze zugenommen haben – aber hilft es den Menschen wirklich, wenn sie ihren Frust darüber an den Kunden auslassen? Denn die schlechte Laune, die man aussendet, kommt ja auch wieder zurück. Kunden, die angemuffelt werden muffeln zurück Alle beschweren sich übereinander: Kunden über Mitarbeiter, Mitarbeiter über Kunden.

Ehrlich gemeinte Freundlichkeit hellt meinen Tag auf. Ich freue mich über jeden netten Moment und bin dankbar für jede Hilfe und Dienstleistung, die sich angenehm anfühlt. Wie wunderbar, wenn sich jemand Mühe gibt für mich. Ich meide mittlerweile nach Möglichkeit Dienstleister und Läden die  bei denen ich das, was ich brauche, nicht bekommen kann ohne unangenehme Untertöne. Ich möchte mein Geld gerne bei denen lassen, die nett mit mir umgehen. Ich glaube, wir vergeben uns nichts, wenn wir netter miteinander sind, sondern tun uns selbst etwas Gutes – denn nett macht uns allen das tägliche Leben mehr Freude.

www.berufswegberatung.de

http://www.existenzielle.de/cms/Gefuehle-gehoeren-dazu/index-b-1-87-2284.html