Unternehmerin sein lässt sich lernen

Als ich mich selbstständig gemacht habe, habe ich viele Bücher gelesen. Was ich jedoch nur wenig gefunden habe, waren Menschen und Autoren, die mir konkret erzählt haben, wie es ihnen gegangen ist, als sie gegründet haben. Erfolgreiche Unternehmer erzählen häufig ausschließlich die Erfolgs-Storys – als hätten sie schon immer alles gewusst und wären sich immer sicher gewesen. Nur wenige erzählen von Rückschlägen, Zweifeln und Niederlagen. Nur langsam ändert sich die Gesprächskultur und Menschen berichten auch von dem, was bei ihnen schief gelaufen ist.

Obwohl ich Betriebswirtschaft studiert hatte und das Vokabular kannte, haben mich diese Erfolgs-Storys oder rein sachlich gehaltenen Gründungsratgeber eher verschreckt als motiviert. Das fachliche Knowhow dieser Bücher ist schätzenswert und wichtig – aber sie berücksichtigten meine Gefühle nicht. Obwohl es bei einer Gründung doch darum geht, etwas innerlich Großes auf den Weg zu bringen, spielten die dazu gehörigen Träume und Ängste keine Rolle.

In den letzten 18 Jahren habe ich viele Menschen in die Selbständigkeit und in der Selbständigkeit begleitet und beraten und viel von ihnen gelernt. In Beratungen und Seminaren, vor oder nach der Gründung, spielen Sach- und Fachfragen eine große Rolle: Wo muss ich mein Unternehmen anmelden, wie geht das mit der Umsatzsteuer, wie kalkuliere ich mein Honorar? Doch daneben gibt es einen anderen wichtigen Faden: Die Auseinandersetzung mit der eigenen Biographie und der Frage, ob eine Gründung jetzt der richtige Schritt ist. Ermutigung und Bestärkung, überhaupt einen neuen Weg zu gehen; die Beschäftigung mit Ängsten und Visionen vom eigenen Leben. Sach-Informationen werden von Menschen innerlich gewichtet und sind umrahmt von Gefühlen. Und Gefühle – das zeigen uns die Neurowissenschaften mittlerweile eindrucksvoll sind Basis jeglicher Entscheidung.

All das findet jedoch in der offiziellen Gründungs- und Unternehmensberatung wenig Beachtung. Zwar befinden alle Experten, dass es nicht alleine auf eine gute Idee und ein gutes Konzept ankommt, sondern auf den dahinter stehenden Menschen, der die Idee umsetzen wird. Doch wie man dahin kommt, ein solcher Mensch zu sein – das spielt keine Rolle. Es gilt, eine „Unternehmerpersönlichkeit“ zu HABEN, sie schon mitzubringen. Ob sie da ist, kann angeblich mit Tests erfragt werden oder spüren Experten – ihrer Selbsteinschätzung nach – bereits durch ein Gespräch.

Mich hat die Idee, dass ein simpler Test, bestehend aus mehr oder weniger Fragen zum Ankreuzen Aussagekräftiges über die unternehmerische Eignung zu Tage fördern soll, schon immer provoziert. Heute billige ich mir einen großen Teil der Eigenschaften und Ressourcen zu, die diese Tests abfragen. Doch das sind nicht einfach fest gefügte Bestandteile meiner Persönlichkeit, sondern sie sind das Ergebnis eines Lernprozesses. Ich habe sie in den letzten 18 Jahren erworben. Zu Beginn meiner Selbstständigkeit musste ich einen Großteil der Testfragen verneinen – und um mich dennoch zu trauen zu gründen, musste ich die Tests schnell wieder weglegen.Wie aber lernt man, UnternehmerIn zu werden? Offensichtlich nicht durch ein betriebswirtschaftliches Studium. Die Betriebswirtschaftslehre wurde als Wissenschaft entwickelt, um die Komplexität großer Unternehmen zu managen, nicht um Entrepreneure hervor zu bringen.

Was ist das ein „Entrepreneur“ oder eine „Entrepreneurin“? Die Entrepreneurin ist die Gründerin, die Ideen-Entwicklererin, die, die das Unternehmen gründet und aufbaut. Die neuere Gründungsforschung unterscheidet zwischen den Fähigkeiten, die es braucht, ein (großes) Unternehmen zu leiten, zu managen und zu verwalten – dies sind Management-Kompetenzen, die durch ein betriebswirtschaftliches Studium gelernt und geschult werden können – und den Haltungen, Einstellungen und Fähigkeiten, die jemand benötigt, der ein Unternehmen gründet.

Nötig ist ein Umdenken, Gründung als einen Lernprozess zu sehen. Die Verantwortung für die Frage, ob jemand geeignet ist, sich selbständig zu machen, gehört nicht in die Hände von Experten, sondern in die Hände der Gründer selbst. Sie selbst müssen in die Lage versetzt werden, abzuschätzen, was eine Gründung für Sie bedeutet. Damit Sie die richtige  Entscheidung treffen können, ob Sie den Weg in die Gründung gehen wollen.

Dabei kommt es, meiner Erfahrung nach am Ende nicht darauf an, dass Sie als Gründerin bestimmte Eigenschaften und Fähigkeiten mitbringen, um ein erfolgreiches Unternehmen zu gründen. Zweierlei braucht es:

* Dass Sie Ihre Selbstständigkeit so formen, dass sie zu Ihnen passt und Sie sie daher mit der erforderlichen Energie betreiben und sich dem stellen, was daran für Sie herausfordernd ist

* Dass Sie die erforderlichen Kompetenzen erlernen WOLLEN und dass Sie Lösungen finden WOLLEN.

Wenn Sie eine Vision Ihres eigenen Lebens haben, die zu Ihren Fähigkeiten, Ressourcen und Wünschen passt – und sich in der Lage sehen, Schritte zur Verwirklichung Ihrer Vision zu „unternehmen“, dann arbeiten Sie gerne, dann erschaffen Sie sich Ihre eigene Existenz – ob im Auftrag von anderen oder im eigenen Auftrag.

Wenn Sie über eine Selbständigkeit als berufliche Alternative nachdenken, brauchen Sie nicht Besserwisser und Experten, die Ihre Eignung beurteilen, sondern Begleitung, die es Ihnen ermöglicht abzuwägen, ob dies für Sie der richtige Schritt ist oder nicht.

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